Vortrag beim Weltkongress – stolz auf unsere Professorin Dr. Andrea Pfingsten!

Prof. Dr. Andrea Pfingsten wurde kürzlich eingeladen, ihre neuesten Forschungsergebnisse auf dem World Physiotherapy Congress (WPC) in Tokio (Japan) zu präsentieren. In Zusammenarbeit mit den Laboren für Physiotherapie und Biomechanik des Regensburg Center of Health Sciences and Technology an der OTH Regensburg war Prof. Dr. Pfingsten an der Erforschung einer datenbasierten Übungsauswahl in der Knie-Rehabilitation beteiligt. Ihr Vortrag „Biomechanical Characteristics of Knee Rehabilitation Exercises: A New Approach for Data-Based Exercise Selection” stieß auf großes Interesse.

Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels und einer alternden Bevölkerung werden datenbasierte Entscheidungsprozesse immer bedeutender, um die effiziente Auswahl von Übungen zu unterstützen. Eine zentrale Größe stellt dabei wahrscheinlich die Gelenkreaktionskraft (Joint Reaction Force, JRF) dar, die als Schlüsselparameter dienen kann.

Für die Untersuchung wurden bei 30 gesunden Probandinnen und Probanden die kinematischen und kinetischen Daten von 20 Knieübungen erfasst. Die technische Basis bildete ein markerloses Motion-Capture-System mit acht Kameras, mit Kraftmessplatten und Lastzellen ausgestattete Stühle und Treppen. Die gesammelten Daten flossen in ein Ganzkörper-Modell ein, mithilfe dessen Gelenkwinkel, Winkelgeschwindigkeiten, Muskelaktivität und insbesondere die Gelenkreaktionskräfte berechnet wurden. In ihrem Vortrag verglich Prof. Pfingsten die resultierenden Spitzenbelastungen am Beispiel von drei Übungsgruppen (Einbeinstand, Sit-to-Stand, Treppensteigen): Einbeinstandsaufgaben erzeugen je nach Progression das 2,5- bis 2,9-fache, Sit-to-Stand-Bewegungen das 2,8- bis 4,2-fache und Treppenaktivitäten das 4,8-fache des Körpergewichts. Eine statistische Analyse mittels Welch’s ANOVA bestätigte die zunehmende Belastung mit steigendem Schwierigkeitsgrad mit Ausnahme der Treppenaktivitäten. Wahrscheinlich haben die gesunden Proband*innen bei der unterstützten Variante kaum Gewicht auf das Geländer übertragen.

Im Rahmen des übergeordneten Projekts „MyReha-digital” soll auf datenbasierter Grundlage ein patientenzentriertes Rehabilitationssystem für Patientinnen und Patienten mit Knieendoprothesen entstehen. Ein Sensorsystem erfasst kinematische Parameter während der Übungen, eine Smartphone-App übermittelt die Informationen an einen Backend-Server und Algorithmen ermitteln langfristig aus den Daten optimierte Übungsfolgen. Das Ziel besteht in einem biofeedbackgestützten, ortsunabhängigen Training, bei dem die Individualisierung der Therapie künftig auf fundierten Daten basiert.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen: 13GW0558E) gefördert und in Kooperation mit den Medizinprodukte-Herstellern Oped, Linova und Interactive Wear sowie der auf Kniechirurgie spezialisierten Klinik der Barmherzigen Brüder in Regensburg durchgeführt.

Kleines Jubiläum: 5. „mit-Physio“-Netzwerktreffen an der OTH

Am 5. Mai 2025 veranstaltete das Forschungslabor Physiotherapie der OTH Regensburg sein fünftes „mit-Physio“-Netzwerktreffen und feierte damit ein erstes kleines Jubiläum. Über 50 Fachkräfte aus Praxis und Wissenschaft fanden sich im Regensburg Center of Health Sciences and Technology ein, um gemeinsam aktuelle, praxisnahe Entwicklungen in der Physiotherapie kennenzulernen und zu diskutieren.

Thema: Quantitative Sensorische Testung

Unter der Leitung von Prof. Dr. Andrea Pfingsten widmete sich das diesmalige Netzwerktreffen der Frage, wie sich die Differenzierung von nozizeptiven, neuropathischen und noziplastischen Schmerzen auch jenseits der aufwändigen Quantitativen Sensorischen Testung (QST) mithilfe einfacher Bedside-Testungen sicherstellen lässt. Während die QST in Forschungskontexten einen hohen Stellenwert genießt, erweist sie sich im klinischen Alltag oft als zu zeit- und kostenintensiv. Daher stellte das Team des Forschungslabors die von Zhu et al. (2019) beschriebenen Clinical Sensory Tests sowie ergänzende Tests vor, die gezielt für den Routineeinsatz konzipiert wurden.

Grundlagen der Schmerzphysiologie

Zu Beginn erhielten die Teilnehmenden einen kompakten Überblick über die Schmerzphysiologie und die verschiedenen Schmerzphänotypen. Nozizeptive Schmerzen entstehen durch die Aktivierung von Nozizeptoren bei tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigungen und dienen als Warnsignal des Körpers. Im Unterschied dazu stehen neuropathische Schmerzen, die auf Läsionen oder Erkrankungen des somatosensorischen Nervensystems zurückgehen und häufig mit brennenden oder elektrisierenden Empfindungen einhergehen. Noziplastische Schmerzen schließlich beruhen auf einer veränderten Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem, obwohl keine eindeutige Gewebeschädigung nachweisbar ist. Auch Mischformen dieser Mechanismen wurden diskutiert, um den Teilnehmenden die Komplexität chronischer Schmerzbilder zu verdeutlichen. Dabei spielte die Rolle neuronaler Plastizität eine zentrale Rolle, da sie erklärt, wie sich wiederholte Reize langfristig auf die Schmerzwahrnehmung auswirken können.

Vorstellung der Bedside-Testungen

Im Anschluss an die theoretische Einführung demonstrierten die Referent*innen Elke Schulze, M.Sc. und Johannis Mertens M.Sc. die wissenschaftlichen Grundlagen und praktischen Abläufe der Clinical Sensory Tests. Im Rahmen dessen wurden sowohl die Gütekriterien als auch die für die Interpretation relevanten Normwerte dargelegt. Ein besonderes Augenmerk wurde auf den direkten Vergleich zwischen den klassischen QST-Verfahren und den schnell umsetzbaren Bedside-Tests gelegt. Ziel war es, den Teilnehmenden aufzuzeigen, für welche Zielsetzung welche Verfahren den sinnvollsten Einsatz finden.

Praktische Übungen in Kleingruppen

In Kleingruppen hatten die Teilnehmenden anschließend die Möglichkeit, die vorgestellten Bedside-Testungen eigenständig anzuwenden. Die Gruppen arbeiteten an Fallbeispielen, verglichen Messergebnisse mit den Referenzwerten und diskutierte die diagnostischen Konsequenzen. So entstanden lebhafte Fachgespräche über praktische Aspekte wie Zeitaufwand, benötigtes Equipment und die Interpretation einzelner Testergebnisse. Dieser praxisorientierte Ansatz ermöglichte es den Anwesenden, die neuen Testverfahren unmittelbar zu erproben.

Kollegialer Austausch und Ausblick

Zum Abschluss des Netzwerktreffens stand der kollegiale Austausch im Vordergrund. Die Teilnehmenden reflektierten die Alltagstauglichkeit der Bedside-Testungen. Das Team des Forschungslabors Physiotherapie der OTH Regensburg bedankt sich herzlich bei allen Teilnehmenden für das rege Interesse und die zahlreichen Impulse. Mit vielen neuen Anregungen und voller Vorfreude auf das sechste „mit-Physio“-Netzwerktreffen blickt es nun in Richtung Zukunft.

5. „mit Physio“ Netzwerk-Treffen

Unser nächstes Treffen mit Fortbildung und Diskussion findet dieses Mal an einem Montag, den 05. Mai 2025 in gewohnter Weise von 18:00 bis 20:00 Uhr im Hörsaal des Biopark I (Erdgeschoss links), Am Biopark 9, 93053 Regensburg, statt.

Praktische Testverfahren zur Differenzierung von Schmerzen

Die Teilnehmenden erfahren, wie Quantitative Sensorische Testung (QST) und ergänzende Tests – wie Kraft-, Reflex- und Algesietests – zur Differenzierung von Schmerzen (neuropathisch, noziplastisch und nozizeptiv) eingesetzt werden können. Dabei wird der klinische Kontext berücksichtigt, um die Befunde in eine fundierte Therapieplanung zu integrieren.

Nach einer kurzen Einführung der theoretischen Grundlagen der verschiedenen Schmerzarten werden die standardisierten sensorischen Tests wie thermische Tests, mechanische Schmerz- und Druckschmerzschwellen-Tests mittels Algometer, Vibrationsdetektion oder weitere ergänzende Tests wie Kraft- und Reflextests oder Algesietests vorgestellt. Eine Live-Demonstration der Tests ist ebenso vorgesehen wie klinische Fallbeispiele, Kleingruppenarbeit und Diskussion.

Verständnis für Schmerzarten  –  Einbezug klinischer Kontext

Unsere Frühjahrsveranstaltung kombiniert fundierte theoretische Grundlagen zu Diagnosekriterien mit Testverfahren und klinischer Praxis. Die Teilnehmenden erhalten nicht nur ein Verständnis für die unterschiedlichen Schmerzarten, sondern lernen auch, wie sie mithilfe standardisierter quantitativer sensorischer Testungen und ergänzender klinischer Tests differenzierte Diagnosen stellen und individuelle Therapieansätze ableiten können.

Für die Veranstaltung werden 2 Fortbildungspunkte vergeben. Mit dem folgenden Link kommen Sie zur Anmeldung: https://www.eventbrite.com/e/praktische-testverfahren-zur-differenzierung-von-schmerzen-tickets-1272649662399?aff=oddtdtcreator

Wir freuen uns über Ihre Anmeldung bis zum 2. Mai 2025.

Prof. Dr. Andrea Pfingsten und das Team des Labors Physiotherapie am Regensburg Center of Health Sciences and Technology der OTH Regensburg

Webinar Best Practice – Outcomes in der Physiotherapie

Webinar am 16.1.2025 mit Georg Supp zur Best Practice in der Physiotherapie

Was verstehen Studierende und junge Kolleg*innen unter Best Practice in der Physiotherapie? Welche Rolle spielen Outcomes dabei? Diese und andere spannende Fragen diskutierte Georg Supp, Physiotherapeut aus Freiburg, im interaktiven Webinar mit den Teilnehmer*innen von der OTH Regensburg.  Auf Einladung von Prof. Andrea Pfingsten gestaltete Georg Supp ein abwechslungsreiches, praxisbezogenes Online- Event.

Patient Reported Outcomes

Physios sind richtig gut, wenn es um CROMs – die Clinician Reported Outcomes – geht. Fragen, messen, evaluieren. Das können wir. Die Perspektive der Patient*innen erfassen die sogenannten PROMs – die Patient Reported Outcomes. Die Teilnehmer*innen am Webinar erfuhren, welche Vorteile generische gegenüber Körperspezifischen PROMs haben und wie Therapeut*innen die erfassten Daten zur Verbesserung der Behandlung einsetzen können. Georg Supp berichtete, was er und sein Team aus der Analyse von mittlerweile fast 8.000 Fragebögen lernen konnten und gab Tipps, wie Best Practice in der täglichen Praxis machbar ist. Die Teilnehmer*innen waren stets gefragt, aktiv dabei zu sein.

Mehr zum Thema PROMs gibt es unter www.mophys.de

Einladung zum World Physiotherapy Congress

Wir freuen uns sehr, dass Prof. Dr. Andrea Pfingsten, Leiterin des Labors Physiotherapie am RCHST der OTH Regensburg, zum World Physiotherapy Congress (WPC) vom 29. bis 31. Mai 2025 nach Tokio (Japan) eingeladen ist.

In ihrem Vortrag mit dem Titel „Biomechanical characteristics of knee rehab exercises: A new approach for data-based exercise selection“ referiert sie zu Ergebnissen biomechanischer Parameter in Verbindung mit der Auswahl und Steigerung von Rehabilitationsübungen des Kniegelenks.

Im Rahmen einer Querschnittsstudie innerhalb vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Forschungsprojektes MyReha-digital, einem Verbundprojekt mit Partnern aus Industrie und den Forschungslaboren Physiotherapie und Biomechanik, konnten bei 30 gesunden Personen Daten zu den folgenden Übungen und Alltagsbewegungen erhoben werden: Gehen, Treppensteigen mit/ohne Geländer, Hinsetzen und Aufstehen mit/ohne Armlehnen, Hocke, Unterschenkelstreckung im Sitz, Ausfallschritt, sagittale und ventrale Gewichtsverlagerungen, Einbeinstand in drei Koordinationsstufen, Treppauf-Schritt und Treppab-Schritt.

Die Erfassung der Bewegungsdaten erfolgte mit dem markerlosen optischen Motion Capture System „TheCaptury“ (Deutschland).  Eine Berechnung der kinematischen Daten und die Simulation der kinetischen Daten erfolgte mit „AnyBody Technology (Dänemark).

Es konnte festgestellt werden, dass spezifische Übungen wie Ausfallschritte oder Kniebeugen sowie zahlreiche Aktivitäten des täglichen Lebens eine hohe Belastung an die Kniegelenke hinsichtlich der Gelenkkinematik, der Gelenkkräfte und der Muskelaktivität stellen. Bemerkenswerterweise wiesen Aktivitäten des täglichen Lebens, wie Gehen und Treppensteigen, vergleichsweise hohe Anforderungen auf. Im Gegensatz dazu sind beispielsweise die Anforderungen bei Gleichgewichtsverlagerungen im Stand oder einbeinigen Standvariationen gering.

Die vorliegenden Ergebnisse markieren einen Fortschritt in Richtung einer auf Daten basierenden Auswahl von Übungen und der Entwicklung maßgeschneiderter Rehabilitationsprogramme. Zudem illustrieren sie das erfolgreiche synergetische Zusammenwirken von Forschenden aus unseren Laboren Biomechanik und Physiotherapie am Regensburg Center of Health Sciences and Technology (RCHST).

Wir wünschen Prof. Dr. Andrea Pfingsten viel Erfolg und Freude für Ihren Vortrag beim WPC in Japan!

Mitwirkung beim Berliner Arthroskopie-, Gelenk- und Sport-Symposium

Rückblick auf den Vortrag beim 42. Berliner Arthroskopie-, Gelenk- und Sport-Symposium

Am 10. Januar hat unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Valentin Schedel, Physiotherapeut, M.Sc., im Rahmen des 42. Berliner Arthroskopie-, Gelenk- und Sport-Symposiums in Oberwiesenthal einen Vortrag zum Thema „Möglichkeiten der prä- und postoperativen Schmerzedukation im Kontext von Knie-TEP“ präsentiert. Der Fokus lag auf Pain Neuroscience Education (PNE), einer evidenzbasierten Therapieform, die durch gezielte Aufklärung über Schmerzmechanismen das Verständnis der Patientinnen und Patienten stärkt und ihre Selbstwirksamkeit fördert. Aktuelle Studienergebnisse wurden vorgestellt, wobei insbesondere die Bedeutung spezifischer Edukationsinhalte und die Integration von PNE vor und nach einer Kniearthroplastik im Mittelpunkt standen.

Ein besonderes Dankeschön geht an Tobias Jung und Dennis Liem für die Einladung und die mustergültige Organisation des Symposiums. Diese Veranstaltung war eine großartige Gelegenheit, die Arbeit des Regensburg Center of Health Sciences and Technology sowie die Forschungsarbeit der Physiotherapie einem fachkundigen Publikum zu veranschaulichen. Es war eine große Ehre und ein bereichernder Austausch, die Rolle der Physiotherapie in einem traditionell anästhesistischen Handlungsfeld in einer Vortrag-Session vorstellen zu dürfen.

 

Forschungsprojekt: KI-gestützte Untersuchung des Kniegelenks

Wie können künstliche neuronale Netze die Diagnose und Therapie von Kniegelenkserkrankungen unterstützen? Das Projekt KINEESIO trainiert KI-gestützte Screening-Tools, die eine bessere Differenzierung individueller Beschwerden ermöglichen und Entscheidungsprozesse in der Versorgung unterstützen. Ziel ist es, Ressourcen im Gesundheitswesen zu schonen und eine qualitativ hochwertige Therapie zu gewährleisten. Ein professionsübergreifendes Forschungsteam der Disziplinen Physiotherapie, Unfallchirurgie, Orthopädie, Digital- und Schaltungstechnik, Medizinische Bilddatenverarbeitung und Biometrie hat dazu einen innovativen KI-basierten Ansatz entwickelt.

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Glückwunsch Prof. Dr. Hanna Brandt!

Promotion in der Physiotherapie im BayWiss-Verbundkolleg Gesundheit

Die Physiotherapie an der OTH – Regensburg feiert einen Meilenstein: Frau Prof. Dr. Hanna Brandt hat erfolgreich ihre Promotion abgeschlossen. Sie ist die erste Physiotherapeutin, die im Rahmen des Verbundkollegs Gesundheit, einer Kooperation der OTH Regensburg mit der Universität Regensburg, promoviert hat. Ihre Arbeit mit dem Titel „Exoskelettale Unterstützung in der Pflege“ wurde von Prof. Dr. Andrea Pfingsten betreut und zeigt die hohe Qualität der Physiotherapieforschung an der OTH-Regensburg. Herzlichen Glückwunsch an Prof. Dr. Hanna Brandt!

Innovation in der Pflege: Exoskelette als Unterstützungssystem

Im Mittelpunkt ihrer Dissertation stand die Frage, wie Exoskelette die körperliche Belastung von Pflegekräften reduzieren können. Prof. Dr. Brandt kombinierte die Methoden der Elektromyographie und des Motion Capturing mit einer qualitativen Untersuchung der Einsatzmöglichkeiten und der Nutzerakzeptanz.

Durch den Mixed-Method-Ansatz gelang es, die muskuläre Aktivität des unteren Rückens, den Bewegungsablauf sowie das subjektive Erleben der Pflegenden während des Transfers zu erfassen. Das Ziel: praktische Lösungen zu entwickeln, die langfristig die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern, Krankheitstage reduzieren und den Pflegeberuf attraktiver machen.

 

Prof. Dr. Hanna Brandt während der praktischen Untersuchung ihres Promotionsprojekts: Der Transfer einer Puppe mit Unterstützung eines Exoskeletts zur Reduktion der körperlichen Belastung von Pflegekräften, Fotoaufnahme: Prof. Dr. Hanna Brandt

Gelebte Interdisziplinäre Forschung

Die Dissertation von Prof. Dr. Brandt zeigt das Potenzial der interdisziplinären Forschung an der OTH Regensburg. Ihr Projekt vereint Kompetenzen aus den Bereichen Physiotherapie, Ergonomie und Biomechanik. Neben der Betreuung wurde das Projekt auch von Prof. Dr. Sebastian Dendorfer vom Labor für Biomechanik am Regensburg Center of Health Sciences and Technology unterstützt.

Prof. Dr. Hanna Brandt bei der Verteidigung ihrer Doktorarbeit „Exoskelettale Unterstützung in der Pflege“ Fotoaufnahme: A. Leis

Prof. Dr. Brandt adressiert mit ihrer Arbeit die aktuellen Herausforderungen im Gesundheitswesen mittels technischer Ansätze. Der Einsatz von Exoskeletten, die bislang vor allem in der Industrie genutzt werden, zeigt Potenzial, auch in der Pflege zur Entlastung der Beschäftigten beizutragen und somit Fachkräftemangels entgegenzuwirken.

 

Blick in die Zukunft

Für Prof. Dr. Brandt endet mit der Promotion ein wichtiger Lebensabschnitt – doch ihre Begeisterung für Wissenschaft und interdisziplinäre Zusammenarbeit bleibt. Seit kurzem ist sie Professorin für physiotherapeutische (Differential-)Diagnose an der Technischen Hochschule Rosenheim und bringt dort ihre Expertise in Lehre und Forschung ein.

Die Mitarbeitenden des Labors Physiotherapie, dem Prof. Dr. Brandt ehemals angehörte, sind sehr stolz auf sie und gratulieren ihr herzlich zu diesem beeindruckenden Erfolg.

Prof. Dr. Hanna Brandt (links) wurde durch Prof. Dr. Andrea Pfingsten (rechts) betreut, Fotoaufnahme: A. Leis

 

Neu: Promotionszentrum Sozial- und gesundheitswissenschaftliche Gestaltung von Transformationsprozessen

Eine weitere gute Nachricht: An der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Regensburg wird künftig ein Promotionszentrum „Sozial- und gesundheitswissenschaftliche Gestaltung von Transformationsprozessen (SGT)“ angesiedelt sein. Dieses Graduiertenkolleg SGT ist wegweisend im Bereich Gesundheit. Übergeordnetes Forschungsziel ist die Sicherung und Verbesserung des bio-psycho-sozialen Wohlbefindens des Menschen in Zeiten großer gesellschaftlicher Transformationen.

Bericht von Svenja Lausterer, Studentische Hilfskraft im Labor Physiotherapie am Regensburg Center of Health Science and Technology (RCHST)

Pain Neuroscience Education beim mit-Physio Netzwerk-Treffen

Workshop an der OTH Regensburg

Diesen November kamen im Regensburg Center of Health Sciences and Technology an der OTH Fachkräfte aus Wissenschaft und Praxis zu einem Workshop zusammen, um den Austausch zur Weiterentwicklung der Physiotherapie zu fördern. Unter der Leitung von Prof. Dr. Andrea Pfingsten stand die Veranstaltung ganz im Zeichen der Pain Neuroscience Education (PNE) – einem innovativen Ansatz zur Schmerzbehandlung.

Ob Forschung oder Praxis – mit der Physiotherapie, das ist die Vision des „mit Physio“ Netzwerks!

PNE ist ein evidenzbasierter Ansatz zur Vermittlung von Schmerzmechanismen und deren biopsychosozialen Einflüssen. Ziel ist es, Patient*innen nicht nur ein besseres Verständnis für ihre Schmerzen zu ermöglichen, sondern auch Strategien zur Selbstwirksamkeit zu vermitteln. Besonders bei chronischen muskuloskelettalen Schmerzen zeigt PNE in Kombination mit Bewegungstherapien vielversprechende Ergebnisse.


Highlights des Netzwerk-Treffens

1. Wissenschaftliche Grundlagen und Geschichte der PNE

  • Historische Entwicklung: Von den frühen Schmerztheorien der Antike (Aristoteles, Galen) über die Gate-Control-Theorie von Melzack und Wall (1965) bis hin zum modernen biopsychosozialen Schmerzmodell.
  • Neueste Forschung: Aktuelle Studien (z.B. Cuenca-Martínez et al., 2023) zeigen, dass PNE kombiniert mit multimodalen Therapien wie Bewegungstraining signifikante Verbesserungen bei psychosozialen Variablen wie Schmerzkatastrophisierung und Bewegungsangst erzielen kann.

2. Praktische Anwendung von PNE

  • Individuelle Anpassung: Die Wirksamkeit von PNE hängt stark von den Patient*innenmerkmalen ab, wie Alter, kulturellem Hintergrund und Bildungsstand. Tools wie der Central Sensitization Inventory (CSI) oder das Keele STarT MSK Tool helfen bei der Risikobewertung und individuellen Anpassung der Therapie.
  • Schmerzphänotypen: Eine gezielte Anwendung unterscheidet zwischen nozizeptivem, neuropathischem und noziplastischem Schmerz.
  • Dosierungsempfehlungen: Optimale Ergebnisse werden durch Sitzungen von 40–50 Minuten, zwei- bis dreimal pro Woche über einen Zeitraum von 4–5 Wochen erzielt (Núñez-Cortés et al., 2024).

3. Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

  • Forschungslücken: Trotz positiver Ergebnisse besteht ein Mangel an qualitativ hochwertigen Primärstudien und standardisierten Protokollen.
  • Multimodale Ansätze: Neben PNE sollten Stressmanagement, Schlafhygiene und Ernährung stärker integriert werden.
  • Kulturelle Anpassungen: Studien wie Salazar-Méndez et al. (2024) unterstreichen die Bedeutung kultureller und bildungsbezogener Anpassungen.

4. Diskussion und Austausch

Die Teilnehmer*innen diskutierten praktische Herausforderungen bei der Umsetzung von PNE in der täglichen Arbeit. Besonders hervorgehoben wurden die Chancen und Barrieren bei der Nutzung von didaktischen Materialien wie den „Why You Hurt“-Karten.


Fazit

Das Treffen zeigte, wie wichtig der interdisziplinäre Austausch für die Weiterentwicklung der Physiotherapie ist. PNE bietet ein enormes Potenzial, Patient*innen mit chronischen Schmerzen zu helfen, ihre Lebensqualität zu verbessern. Gleichzeitig bleibt die Notwendigkeit, die Forschung zu standardisieren und die praktische Umsetzung weiter anzupassen.

Seien Sie beim nächsten mit-Physio Netzwerk-Treffen dabei und erleben Sie, wie Forschung und Praxis Hand in Hand gehen!

Vorträge am Klinikum Neumarkt in Kooperation mit dem Labor Physiotherapie der OTH

Am 12. Oktober 2024 fand im Landratsamtssaal in Neumarkt in der Oberpfalz eine Fachveranstaltung zum Thema „Physiotherapie im Spannungsfeld einer sich wandelnden gesundheitspolitischen und sozialen Struktur“ mit rund 70 Teilnehmenden statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von Dr. Janka, Chefarzt der Neurochirurgie am Klinikum Neumarkt. Im Rahmen einer Kooperation nahmen auch zwei wissenschaftliche Mitarbeiter*innen der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) aus dem Labor Physiotherapie unter der Leitung von Prof. Dr. Andrea Pfingsten teil. Sie beteiligten sich aktiv mit Vorträgen und regten zur Diskussion über die Entwicklung des Berufsbildes Physiotherapie und die damit verbundenen Herausforderungen an.

Akademisierung und Professionalisierung der Physiotherapie

Herr Schedel, M.Sc. hielt im Rahmen der Veranstaltung einen Vortrag mit dem Titel „Akademisierung der Physiotherapie – Herausforderungen der Profession meistern“. In seinem Vortrag gab er spannende Einblicke in die aktuelle Entwicklung der Physiotherapie und legte einen besonderen Fokus auf die berufssoziologische Betrachtung. Im Mittelpunkt des Vortrags stand die Frage, welche Rolle die Physiotherapie in einer sich verändernden Gesellschaft zukünftig einnehmen sollte. Die Akademisierung wurde dabei nicht als Selbstzweck, sondern als wesentlicher Schritt zur Disziplinbildung und Professionalisierung gesehen. Diese Sichtweise steht in engem Zusammenhang mit der Professionsforschung, die den Übergang von einem Beruf zu einer Profession als einen Prozess beschreibt, der durch wissenschaftliche Fundierung und zunehmende Autonomie der Berufsangehörigen gekennzeichnet ist.

Selbstdefinition der Physiotherapie als Profession

Ein weiterer zentraler Aspekt der Darstellung war die Diskussion der Selbstdefinition der Physiotherapie als Profession. Dabei wurden berufssoziologische Theorien aufgegriffen, um typische Merkmale einer Profession wie strenge Ausbildungsregelungen, eine klar definierte wissenschaftliche Wissensbasis und eine hohe Entscheidungsautonomie herauszuarbeiten. Diese Merkmale wurden den aktuellen Entwicklungen in der Physiotherapie gegenübergestellt, die bisher von einer Teilakademisierung und einer Professionalisierung in den Kinderschuhen geprägt sind.

Anforderungen aus Sicht der Patient*innen und des Gesetzgebers

Darüber hinaus beleuchtete der Vortrag die Anforderungen an die Physiotherapie sowohl aus Sicht der Patient*innen als auch der Gesetzgeber. Besonders hervorgehoben wurde die evidenzbasierte Praxis als zentrales Element der Professionalisierung. Die Integration wissenschaftlicher Erkenntnisse in den klinischen Alltag sei essentiell, um den steigenden Anforderungen an die Patientenversorgung gerecht zu werden.

Diskussion zur Vollakademisierung der Physiotherapie

Der Vortrag regte zur Diskussion an, insbesondere über die Frage, inwieweit die Vollakademisierung der Physiotherapie die Qualität der Patientenversorgung nachhaltig verbessern kann. Insgesamt bot der Vortrag einen tiefen Einblick in die aktuellen Herausforderungen der Physiotherapie und skizzierte die notwendigen Schritte, um den Beruf weiterzuentwickeln und langfristig als eigenständige Profession zu etablieren.

Fachveranstaltung für Physiotherapie am Klinikum Neumarkt. V.l.n.r. Dr. Michael Janka (Chefarzt Klinikum Neumarkt), Willibald Gailler (Landrat Neumarkt), Christiane Kopp (Osteopathin), Stephanie Stigler (Physiotherapeutin, Spiraldynamik), Valentin Schedel (Physiotherapeut M.SC.) und Elke Schulze (Physiotherapeutin M.SC.). Foto: Janka.

Rolle der Manuellen Therapie in der modernen Physiotherapie

Der Vortrag von Elke Schulze, M.Sc. ACP OMT stand unter dem Titel „Die Rolle der Manuellen Therapie in der modernen Physiotherapie“ und beleuchtete sowohl die theoretischen Grundlagen als auch die praktische Anwendung der Manuellen Therapie (MT). Frau Schulze stellte sich mit ihrer über 25-jährigen Erfahrung als MT-Dozentin und ihrer umfangreichen OMT-Ausbildung vor. Sie betonte die Bedeutung der MT bei der Behandlung von neuromuskuloskelettalen (NMS) Problemen. Die Manuelle Therapie basiert auf spezifischen Techniken zur Schmerzbehandlung und funktionellen Wiederherstellung auf der Grundlage des „Clinical Reasoning“, also der individuellen Anpassung der Therapie.

Fortgeschrittene Praxis in der Physiotherapie

Ein Beispiel für moderne Physiotherapie ist das Modell der „Advanced Practice in Physiotherapy“ (APP), das zusätzliche Fertigkeiten wie Injektionen und Medikamentenverordnungen sowie eine orthopädische Trage beinhalten kann. Schulze kritisierte, dass Deutschland hier international hinterherhinke, während andere Länder wie Großbritannien und Kanada APP bereits gewinnbringend einsetzten.

Evidenz und Ausbildung in der Manuellen Therapie

Schulze zitierte Studien, die die Wirksamkeit der MT bei Erkrankungen wie Schulterschmerzen und Kniearthrose belegen, wobei die MT in Kombination mit Bewegung zu signifikanten Verbesserungen führen kann. Sie verglich die Ausbildungsstrukturen international und stellte fest, dass die deutsche MT-Ausbildung mit 260 Unterrichtseinheiten hinter den internationalen Standards zurückbleibt, die zumeist im Rahmen eines Masterstudiums ausbilden. Ein weiteres Problem sei die uneinheitliche Qualität der Lehre in Deutschland.

Praxisbeispiele aus der Manuellen Therapie und Fazit

Anhand von Praxisbeispielen demonstrierte sie die Anwendung der MT bei typischen Beschwerden wie Schulter- und Knieschmerzen und betonte den integrativen Charakter der MT. Abschließend diskutierte sie die Herausforderungen und Chancen der MT, wobei sie die Bedeutung einer evidenzbasierten Praxis und die Rolle der MT als Assessmentverfahren zur Differentialdiagnostik hervorhob. In der anschließenden Diskussion wurden die Erfahrungen der Teilnehmenden mit der MT vertieft.

Der Vortrag von Frau Schulze bot wertvolle Einblicke in die Stellung der Manuellen Therapie in der modernen Physiotherapie, insbesondere im Hinblick auf die evidenzbasierte Anwendung und die Herausforderungen in der Ausbildung. Die Integration der MT in die moderne Physiotherapie ist eine spannende Entwicklung, die in Deutschland noch nicht etabliert ist.